Gastbeitrag von Rechtsanwältin Simone Rohs (Rechtsanwaltskanzlei schwegler rechtsanwälte aus Düsseldorf)
Prävention statt Kündigung!
„Schreckgespenst“ BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement)
Viele Arbeitnehmer kennen die Situation: Nach einiger Zeit der Arbeitsunfähigkeit flattert plötzlich eine Einladung des Arbeitgebers zu einem sogenannten BEM-Gespräch ins Haus. Viele Arbeitnehmer sind erst einmal verunsichert und fragen sich, was ist das BEM überhaupt und was wird von mir erwartet.
Das BEM dient dem Ziel die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden und neuer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, so dass am Ende eine krankheitsbedingte Kündigung vermieden werden kann.
Der Arbeitgeber ist nach § 167 Abs. 2 S.1 SGB IX verpflichtet ein BEM anzubieten. Ein Schreiben zum BEM bekommt also jeder, der länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig erkrankt ist. Das BEM startet üblicherweise mit einem ersten Informationsgespräch, in dem es zunächst darum geht, die erforderlichen Datenschutzerklärungen vom Arbeitnehmer einzuholen und zu erklären, wie ein BEM-Verfahren abläuft. Im Weiteren wird konkret besprochen, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Hierbei möchte der Arbeitgeber herausfinden, ob die Arbeitsunfähigkeit etwas mit der konkreten Arbeit zu tun hat. Selbstverständlich muss der Arbeitnehmer während des BEM-Verfahrens nichts zu seinen Krankheitsursachen sagen. Weitere Beteiligte, wie z.B. die Rentenversicherungsträger, der Betriebsarzt, Integrationsämter etc. können für die Beratung hinzugezogen werden, soweit der Arbeitnehmer damit einverstanden ist. Im Weiteren werden dann konkrete Maßnahmen vereinbart, wie z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Versetzung innerhalb des Betriebes oder veränderte Arbeitszeiten, mit dem Ziel, dadurch die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers auf Dauer wiederherzustellen.
Das gesamte BEM-Verfahren sowie die Hinzuziehung von weiteren Beteiligten ist für den Arbeitnehmer freiwillig. Man kann als Arbeitnehmer die Teilnahme an einem BEM-Verfahren gänzlich ablehnen oder auch zu einem späteren Zeitpunkt abbrechen. Über die Freiwilligkeit ist man vom Arbeitgeber ausdrücklich hinzuweisen. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung sind mit einzubeziehen, es sei denn der Arbeitnehmer lehnt eine Beteiligung ab. Eine entscheidende Neuerung zum BEM-Verfahren gibt es seit dem Jahre 2021 – gem. § 167 Abs. 2 S.2 SGB IX darf der betroffene Arbeitnehmer eine Vertrauensperson seiner Wahl zu allen Gesprächen hinzuziehen, d.h. auf Wunsch des Arbeitnehmers darf dieser Familienangehörige, den Hausarzt oder den Rechtsanwalt miteinbeziehen.
Was für eine Rolle spielt das BEM-Verfahren für eine krankheitsbedingte Kündigung?
Kommt es wegen der Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einer krankheitsbedingten Kündigung und legt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein, wird ein Gericht in aller Regel die Kündigung für unwirksam erklären, wenn der Arbeitgeber kein oder kein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt hat. Es lohnt sich an dieser Stelle genau zu prüfen, ob alle Verfahrensschritte korrekt eingehalten wurden. Im Hinblick auf den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ist es den Arbeitnehmern daher auch zu raten, ein BEM-Verfahren nicht grundlos abzulehnen, denn eine solche grundlose Ablehnung wird ein Gericht bei der Frage, ob eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist oder nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zum Nachteil des Arbeitnehmers bewerten.
Arbeitnehmer sollten BEM-Verfahren nicht nur als „Schreckgespenst“ sehen, sondern auch als Chance, die Arbeitsunfähigkeit auf Dauer zu überwinden. Damit sie sich dem Arbeitgeber nicht allein gegenübersehen, ist während des gesamten Prozesses der Betriebsrat eingebunden und der Arbeitnehmer kann seine persönliche Vertrauensperson zusätzlich zu allen Gesprächen hinzuziehen.
Hinweis: Der vorliegende Beitrag hat nur informatorischen Charakter. Er stellt keine Beratung dar und ersetzt auch keine konkrete Beratungsleistung von Rechtsanwälten oder Gewerkschaften.