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von Özay Tarim ver.di Gewerkschaftssekretär
Flughafen Weeze: Sicherheitsfirma I-Sec missachtet betriebliche Verfahrensregelung zur Arbeitsunfähigkeitsmeldung und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats!
Neuer Dienstleister, alter Konflikt
Seit Sommer 2024 ist die private Sicherheitsfirma I-Sec für die Durchführung der Fluggastkontrollen am Flughafen Weeze zuständig. Die Übernahme erfolgte zunächst interimsweise und anschließend – nach offizieller Ausschreibung – im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB. Vorausgegangen war die außerordentliche Kündigung des vorherigen Dienstleisters ESA Luftsicherheit durch die Bezirksregierung Düsseldorf, da ESA mehrfach Löhne verspätet gezahlt hatte. Mit dem Betriebsübergang gingen sämtliche Rechte, Pflichten und betrieblichen Regelungen vollständig auf I-Sec über.
Seit Jahren klare betriebliche Regelung zur Arbeitsunfähigkeitsmeldung
Am Flughafen Weeze existiert seit vielen Jahren eine eindeutige betriebliche Verfahrensregelung im Krankheitsfall: Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss erst ab dem dritten Krankheitstag vorgelegt werden. Diese Praxis wurde bereits 2020 bei der Firma Agello Aviation (Vorvorgänger-Dienstleister von I-Sec) in einer Dienstanweisung festgehalten. Auch der Versuch von ESA Luftsicherheit im Jahr 2021, diese Regelung ohne Beteiligung des Betriebsrats abzuschaffen, scheiterte vor dem Arbeitsgericht. In einem gerichtlichen Vergleich vom 06.07.2021 verpflichtete sich demnach ESA ausdrücklich, die bestehende betriebliche Praxis weiterhin einzuhalten. Nach der Übernahme im Jahr 2024 hat auch die Sicherheitsfirma I-Sec diese Verfahrensregelung zunächst vollständig akzeptiert und angewendet.
Neue Mitarbeiterinformation: AU-Pflicht ab dem ersten Tag – ohne Mitbestimmung
Am 07.11.2025 veröffentlichte I-Sec jedoch eine Mitarbeiterinformation, die ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrates eine grundlegend neue Vorgabe enthielt. Danach müsse die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) bereits ab dem ersten Krankheitstag vorliegen. Zusätzlich wurden die Beschäftigten aufgefordert, „sicherzustellen“, dass Arztpraxen oder Krankenkassen die eAU an die Personalabteilung übermitteln. Diese Aussagen sind sowohl arbeitsrechtlich unzulässig als auch inhaltlich falsch.
Mitbestimmung zwingend erforderlich – einseitige Anordnung ist rechtswidrig
Die allgemeine Pflicht zur Vorlage einer AU ab dem ersten Krankheitstag unterliegt der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Arbeitgeber darf eine solche Regelung nicht einseitig anordnen. Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach bestätigt, dass Melde- und Nachweispflichten im Krankheitsfall mitbestimmungspflichtig sind. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sowohl über das „Ob“ als auch das „Wie“ mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG zu einem früheren Zeitpunkt für alle Arbeitnehmer regeln will.
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. August 2016, 1 ABR 43/14)
Damit ist klar: Die Anordnung von I-Sec ist ohne Zustimmung des Betriebsrates rechtlich unwirksam.
Fehlinformation zur eAU: Beschäftigte müssen keine Übermittlung sicherstellen
Auch die Aussage, Beschäftigte müssten die Übermittlung der eAU an die Personalabteilung sicherstellen, ist sachlich falsch. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Arztpraxen die eAU ausschließlich an die Krankenkassen übermitteln. Der Arbeitgeber ruft diese Daten eigenständig bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Beschäftigte müssen lediglich ihre Arbeitsunfähigkeit melden, nicht aber Datenübermittlungen organisieren. Die Mitarbeiterinformation von I-Sec stellt die Abläufe falsch dar und schafft unnötige Verunsicherung.
Tarifvertrag begrenzt betriebliche Verfahrensregelung nicht – Mitbestimmung bleibt bestehen
Der Manteltarifvertrag der Luftsicherheitsbranche stützt ausdrücklich die seit Jahren geltende betriebliche Regelung. In § 5 Abs. 1 Satz 3 MTV heißt es:
„Die Beschäftigten sind verpflichtet, dem Arbeitgeber jede Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich in der betriebsüblichen Form mitzuteilen.“
Die „betriebsübliche Form“ ist seit vielen Jahren eindeutig geregelt – unter anderem die Vorlage der AU erst ab dem dritten Tag. Der Tarifvertrag liefert I-Sec also keinerlei Grundlage für die einseitige Anweisung – im Gegenteil, er verweist ausdrücklich auf die bestehende betriebliche Praxis.
Betriebsrat reagiert: Rechtsanwalt eingeschaltet, Klage wird vorbereitet
Der Betriebsrat am Flughafen Weeze hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Mitarbeiterinformation reagiert. Mit Unterstützung eines Rechtsanwalts wurde I-Sec schriftlich aufgefordert, die Anweisung zurückzunehmen, die betriebliche Verfahrensregelung weiterhin anzuwenden und die Mitbestimmungsrechte vollständig zu beachten. Sollte I-Sec die einseitige und nach Einschätzung des Betriebsrats unwirksame Maßnahme nicht zurücknehmen, wird der Betriebsrat gezwungenermaßen vor das Arbeitsgericht ziehen – wie bereits 2021 erfolgreich gegen ESA Luftsicherheit.
Mitbestimmung muss beachtet werden
Dieser Vorgang zeigt erneut, wie wichtig eine starke Interessenvertretung für die Beschäftigten der Luftsicherheitsbranche ist. Mitbestimmung ist gesetzlich zwingend vorgesehen und keine freiwillige Entscheidung des Arbeitgebers. Betriebliche Regelungen gelten auch nach einem Betriebsübergang fort und dürfen nicht einseitig vom Arbeitgeber ausgehebelt werden. Zudem ist es inakzeptabel, wenn Beschäftigte durch falsche Informationen verunsichert werden.
Wir als Gewerkschaft ver.di unterstützen den Betriebsrat und die Beschäftigten am Flughafen Weeze in ihrem rechtmäßigen Widerstand gegen diese einseitige und unwirksame Maßnahme. I-Sec ist aufgefordert, die fehlerhafte Mitarbeiterinformation zurückzunehmen und die jahrelang gelebte und weiterhin gültige betriebliche Verfahrensregelung zur Arbeitsunfähigkeit einzuhalten.
Wer Mitbestimmung ignoriert, erreicht keine Gesundheit – sondern nur Widerstand!
